Der Städtename Dresden wird als Erinnerungsort und Geschichtssymbol vor allem mit den alliierten Luftangriffen auf die Stadt während des Zweiten Weltkriegs assoziiert. Das Geschehen jener Tage hat sich tief in die Biographien der Überlebenden und ihrer Stadt eingebrannt. Bis heute ist die Erinnerung an den Februar 1945 in Dresden lebendig.
Geschichtssymbol und Mythisierung
Noch im Februar 1945 griff die deutsche Kriegspropaganda die Zerstörung Dresdens auf. Vor dem Hintergrund des hohen kulturellen Wertes der Stadt wurden die militärische Bedeutung Dresdens geleugnet, die Zahl der getöteten Menschen vervielfacht und die Luftangriffe als Anklage gegen die Alliierten positioniert. Rasch war die konstruierte Erzählung von der einzigartigen, sinnlosen Zerstörung einer unschuldigen Stadt weltweit verbreitet. An diese Erzählung konnte auch nach 1945 angeknüpft werden: Die ostdeutsche Propaganda nutzte die Erinnerung an die Zerstörung Dresdens jahrzehntelang als Anklage gegen den Westen.
Auch außerhalb der DDR festigte sich das historische Symbol Dresden – als weltweit verstandenes Symbol für Zerstörung, für militärische Gewalt gegen Zivilisten und für den Verlust von Kulturgütern im Krieg. Seit Jahrzehnten und bis heute wird Dresden in dieser Zuschreibung als Argument in Diskursen, als Bezugsgröße in Vergleichen und als illustrative Beschreibung verwendet.
Breite Tradition des Erinnerns
Seit 1945 hat sich in Dresden neben der staatlich gelenkten Gedenkpropaganda eine breite Tradition des Erinnerns an den Februar 1945 entwickelt – im privaten Raum der Familien, in den Kirchen, in einer kaum übersehbaren Fülle künstlerischer Reflektionen und Aktionen. Diese Erinnerungskultur birgt Erfahrungen und Erreichtes, an das anzuknüpfen lohnt – so etwa die tiefe Überzeugung der Überlebenden in den Jahren nach 1945 »Hauptsache kein Krieg« oder die großartigen Versöhnungsgesten, die Dresden immer wieder erreichten.
In den 1980er Jahren löste sich das bürgerschaftliche Erinnern aus der staatlichen Bevormundung. Es wurde mehr und mehr zur Basis einer kritischen Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Gegenwart. Unabdingbare Grundlage dafür war die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, die das Bekenntnis auch der Dresdner Verstrickungen in nationalsozialistische Verbrechen einschließt.
Umkämpftes Erinnern
Das Erinnern an die Zerstörung Dresdens im Februar 1945 ist immer von konkurrierenden Erzählungen und Deutungen begleitet gewesen. In den Jahren nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde Dresden als gesamtdeutscher Erinnerungsort bekräftigt – immer wieder jedoch von höchst kontroversen öffentlichen Debatten begleitet.
Seit dem Ende der 1990er Jahre zeigt sich der geschichtsrevisionistische Missbrauch des Erinnerns immer deutlicher und immer öffentlicher: Mit großangelegten rechtsextremen Demonstrationen wird die Zerstörung Dresdens gegen nationalsozialistische Verbrechen aufgerechnet. Dagegen regt sich immer stärkerer Widerstand von Seiten antifaschistischer Aktivisten und aus der demokratischen »Mitte« der Gesellschaft.
Ungebrochene Symbolkraft
Außerhalb der Stadt hat der Erinnerungsort Dresdens bis heute nichts von seiner Ausstrahlung eingebüßt. Die Kontroversen in und um Dresden werden in Europa wahrgenommen. Immer noch motiviert das Symbol Dresden unterschiedlichste Akteure aus aller Welt, sich mit Gegenwart und Zukunft unserer Welt auseinanderzusetzen – in Kunst oder Medien, im bürgerschaftlichen Engagement oder in der Politik.
Verpflichtung für ein verantwortliches Erinnern
Aus dem Horizont des Geschichtssymbols ergibt sich die besondere Verpflichtung der Dresdner Bürger, ihr Erinnern mit dem Eintreten für Frieden, Demokratie und Menschenrechte zu verbinden.
Autor: Matthias Neutzner